Harald Schirmer - es kommt nicht nur darauf an, was wir tun, sondern WIE wir es tun!

Abbildungsmaßstab

Auswirkungen des Abbildungsmaßstabes in der Fotografie?

Immer wieder höre ich die Frage, ob man nicht statt mit einem Macro-Objektiv nicht auch mit einem Tele-Objektiv gleiche Ergebnisse bekommen kann.

Froschauge
Froschauge

Dieser Frage zum Thema Abbildung von „kleinen“ Dingen möchte ich hier auf den Grund gehen.

 

Was bedeutet Abbildungsmaßstab?

Ein kleiner Marienkäfer ist ungefähr 7 Millimeter lang und ca. 5 Millimeter breit. Abbildungsmaßsstab 1:1 wäre erreicht, wenn der Käfer auf dem Foto genau wieder die gleiche Größe hätte.

[box type=“info“ style=“rounded“ border=“full“]Die erste Zahl ist immer die Abbildung, die zweite Zahl das Original[/box]

Maßstab 5:1 bedeutet also, dass z.B. der Marienkäfer auf einem Sensor 35mm x 25mm groß sein müsste

Teil eines Libellenflügels
Teil eines Libellenflügels

Wir kennen das auch von Karten oder dem Modellbau

 

Wie funktioniert das bei der Kamera?

Wovon hängt die Größe des Abbildes von einem Objekt beim Fotografieren ab:

  1. Entfernung zwischen Sensor-Oberfläche und Objekt
  2. Sensorgröße in der Kamera
  3. Verwendetes Objektiv
  4. eingestellte Brennweite des Objektivs

Verschiedene Sensorgrößen (angelehnt an Filmgrößen):

  • Kleinbild: 35 x 24mm = Vollformat bei Digitalkameras z.B. Canon 1Ds
  • APS-H: 28,7 x 19,1mm / entspricht „Crop-Faktor“ 1,3 z.B. Canon 1D
  • APS-C: 22,5 x 15mm / entspricht „Crop-Faktor“ 1,6 z.B. Canon 30D

Wann ist ein Macro-Objektiv ein „echtes“ Macro?

Schon ab einem Abbildungsmaßstab vom 1:4 wird ein Objektiv als „macro-fähig“ bezeichnet – daher haben viele Standard-Objektive einen Macrobereich.

Woran scheitert der Abbildungsmaßstab meist?

  • „Man kommt einfach nicht nah genug ran“ – Das liegt hauptsächlich an der durch das Objektiv vorgegebenen Naheinstellgrenze – also bis zu welcher Nähe kann die Kamera mit dem verwendeten Objektiv noch scharfstellen.
  • Typische Werte für Normalobjektive sind 30cm, im Telebereich ca. 50cm bis 1m. Macroobjektive können teilweise bis zu einem Zentimeter nah an das Objekt ran.
  • Jetzt lässt sich schnell erkennen, dass mir ein 300mm Teleobjektiv nichts hilft, wenn ich einen Meter wegbleiben muss – hingegen das 60mm Macroobjektiv bis auf einen Zentimeter ran kann.
  • Auch ein wichtiger Punkt – zumindest bei Tierfotografen, ist die „Flucht-Distanz“ – Welche Liebelle hält schon ruhig, wenn ein riesen Objektiv auf sie zukommt. Hier helfen dann wieder die verschiedenen Brennweiten von Macroobjektiven.
[box type=“tick“ style=“rounded“ border=“full“]TIPP: Bei 60mm muss man sehr nah ran, 100mm sind ein guter Mittelweg, 180mm geben schon einigen Spielraum für sehr ängstliche Gesellen[/box]

Praktischer Versuch:

In einem Versuchsaufbau habe ich mir als Objekt einen auf einem Papier aufgedruckten Vogel mit 5mm Breite ausgewählt. Der Vogel wird auf einen Tisch gestellt und die Kamera auf gleicher Höhe mit Stativ aufgestellt.

Weitere Vorgaben für den Aufbau und die Einstellungen:

  • Spiegelvorauslösung und Fernauslöser, um Verwacklung zu verhindern
  • alle Aufnahmen mit der gleichen Blende (f=4) … wenn möglich
  • alle Aufnahmen mit ISO 100
  • Aufnahmen werden immer mit dem Mindestabstand (Naheinstellgrenze) gemacht
  • Bei Zoom-Objektiven werden verschiedene Brennweiten getestet

Welche Objektive habe ich verwendet:

  • Canon Macro EF 100mm 1:2.8 USM
  • Tokina AT-X Pro SD 12-24 F4 (IF) DX
  • Canon Zoom EF 24-105mm 1:4 L IS USM
  • Canon EF 50mm 1:1.8 II
  • Canon Zoom EF 70-200mm 1:2.8 L IS USM
  • Tamron AF 80-210mm 1:4.5-5.6
  • Canon EF 300mm 1:4 L IS USM

Die Größe der Einzelbilder stellt immer die jeweilige Größe in Pixeln dar:

Objektivschärfe Vorschau
Der Abbildungsmaßstab – klicken zum Vergrößern

 

Die Erkenntnis:

Ein 100mm Macro-Objektiv bildet den Vogel mit großem Abstand am größten ab – immerhin fast vier mal größer als ein 300mm Teleobjektiv.
Das 24-105mm Standard-Zoom hat bei 105mm fast den gleichen Abbildungsmaßstab wie das 300mm Tele.

[box type=“tick“ style=“rounded“ border=“full“]Will man also etwas sehr kleines – „Groß“ rausbringen, kommt man nicht um ein Macro-Objektiv herum.[/box]

Noch bessere Ergebnisse bekommt man mit sogenannten Lupen-Objektiven oder mit Balgen-Geräten.

 

Jetzt die Verständnisfrage:

Kann man ein Objekt, das größer ist als der Sensor in der Kamera (Kleinbildformat 35x24mm) überhaupt 1:1 abbilden?

 

Beitragsinfo:

Published:

Edited:

Kategorien:

Schlagworte:

Dein Feedback:

13 Antworten

  1. Avatar von Rudi
    Rudi

    Hallo Harald! Die Berichte sind schon alt. Ich versuche trotzdem, dich zu erreichen und habe folgende Frage. Ich wechsle nun zur Z8 und möchte meine Objektivsammlung minimieren. Konkret: Statt des 105 Macroobjektives möchte ich Aufnahmen mit dem 100-400 Tele machen. Kann ich durch croppen und danach Pixelergänzung die gleiche Vergrößerung erreichen? Habe ich mit dem Tele nicht auch mehr Möglichkeit für die Tiefenschärfe? Danke für deine fachkundige Antwort!

    1. Avatar von haraldschirmer

      Danke für Deine Frage Rudi, ein Tele-Objektiv hat in der Regel eine sehr deutlich größere Naheinstellgrenze – also der Mindestabstand um noch scharf stellen zu können. Ich kenne Dein Objektiv nicht, aber viele 400mm Objektive brauchen teils 50cm Abstand zum Objekt, während ein Macro bis auf wenige Zentimeter ran kann. Das macht einen riesen Unterschied im Abbildungsmaßstab (und Qualität). Zudem haben Tele in der Regel eine geringere Blende (meist nur bis f4 außer extrem teuer) während Macros bis Blende f1 erschwinglich sein können. (Zum Thema Tiefenschärfe)
      Hoffe das hilft

  2. Avatar von Marco Wydmuch

    Danke für diesen hilfreichen Vergleich. Ich frage mich gerade, ob ein Tilt/Shift Objektiv wie das Canon TS-E 90 mm /2,8L oder das Canon TS-E 135mm /4,0L noch weitere Vorteile gegenüber dem EF-100mm 2.8L haben. Bei Kleinteilen in der Schmuckfotografie stellt sich ja immer die Herausforderung der geringen Schärfentiefe, die ich durch Focus-Stacking und 2-3 überlagerte Fotos ausgleiche. Durch die gekippte Schärfeebene lässt sich die Schärfentiefe ja erhöhen, aber durch die größere Naheinstellgrenze nutze ich weniger von der Sensorfläche.
    Hat Jemand Erfahrungen bezüglich der Tilt/Shift Linsen gegenüber den klassischen Makroobjektiven?

    Gruß Marco

    1. Avatar von haraldschirmer

      Dazu kann ich leider wenig schreiben – hatte bisher noch kein TS

  3. Avatar von Thömu
    Thömu

    Nein das ist physikalisch nicht möglich.
    Wenn etwas mit 2cm Grösse auf ein 2cm grossen Sensor Projetziert wird, ist das Massstab 1:1
    Wenn es grösser ist passt es nicht mehr auf den Sensor.
    Die Sensorauflösung, wie sie SmallAl beschreibt, hat damit nichts zu tun (ist aber ein guter Gedanke).
    Ich könnte die Auflösung ja auch nachträglich am PC Interpolieren, was aber am Abbildungsmassstab auch nichts ändert.

  4. Avatar von Michel
    Michel

    Definitiv nein!
    Der Abbildungsmaßstab 1:1 wird ausschließlich an der Naheinstellgrenze des Objektives erreicht. Bei dem Canon EF 100mm Marcro USM beträgt diese 31cm. Nur hier wird 1 mm des Objektes auch mit 1 mm Größe auf dem Sensor abgebildet. Wird nun der Abstand vergrößert, um mehr vom Objekt abbilden zu können, verändert sich der Abbildungsmaßstab. 1 mm des Objektes sind nun auf dem Sensor zwangsläufig kleiner abgebildet, also nicht mehr 1:1.
    Die Bezeichnung dpi (dots per Inch) stammt ursprünglich aus dem Druckbereich und beschreibt lediglich die Detailgenauigkeit beim Vierfarbendruck beim Druckraster.

  5. Avatar von SmallAl
    SmallAl

    Das hängt davon ab.

    betrachtet man einen Prospekt aus etwa 30 cm Entfernung so benötigt man optimalerweise eine Auflösung von 300 dpi.
    Hat die Kamera nun einen Sensor welcher höher auflöst kann dieser Sensor mehr „im Maßstab 1:1“ einfangen als seine eigene Größe ist.

    Eine 24 Megapixel Kamera hat unter dem Aspekt von 300 dpi also eine Fläche von 6000/300 * 4000/300 Zoll(Inch).

    Also 20*13,3 Zoll oder Rund 50*33 cm.

    Verringert man den Betrachtungsabstand benötigt man mehr Pixel pro Zoll und erhält einen „kleineren Sensor“ oder anders herum – bei weiterem Abstand gelingt es noch größer.

  6. Avatar von Christian
    Christian

    Sehr hilfreicher Vergleich!Vielen Dank!

  7. Avatar von Jörn

    Hallo,

    interessanter Vergleich. Etwas ähnliches hatte ich auch schon versucht, als ich kleinere Gegenstände fotografieren wollte. Mangels eines Makro-Objektivs hatte ich es zunächst mit dem Tele probiert, und war erstaunt, dass die Ergebnisse nicht viel besser waren als mit dem Normalbrennweiten-Objektiv. Bei beiden musste ich letztlich kleinere Ausschnitte aus dem Bild wählen, und damit ist die Qualität natürlich eingeschränkt.

    Da ich mir kein Makro-Objektiv leisten wollte (für die wenigen Male, die ich es benötige), habe ich mir stattdessen einen Satz Nahlinsen angeschafft. Das funktioniert auch recht gut, man kommt doch deutlich näher an das Objekt heran. Zumindest für die Fotografie von kleinen, unbewegten Objekten vielleicht ein Ausweg.

    Lieben Gruß,

    Jörn

    1. Avatar von haraldschirmer

      Hallo Jörn, danke für den Hinweis – sollte ich irgendwann viel Zeit haben, kann ich noch Beispiele für Nahlinse oder Objektiv-Zwischenringe einfügen. Die Nahlinsen sind die „günstigere“ Variante und kommt vorne auf das Objektiv (und verändern die Blende nicht) – im Mottenbereich lassen sich damit ganz gute Ergebnisse erzielen / im Randbereich wird’s problematisch.
      Die Zwischenringe (es gibt verschiedene – auch kombinierbar) werden zwischen Kamera-Body und Objektiv geschraubt – sind also auch elektrisch verbunden – bei nicht Canon Produkten kann da schnell die eine oder Andere Funktion verloren gehen… Der Faktor (z.B. x1,4 oder x2,0) hat Einfluss auf die maximale Blenderöffnung (Bauartbedingt) – damit wird ein f4 Objektiv zum f5,6… aber eine deutlich bessere Abbildungsqualität – bei auch deutlich höherem Preis (dafür aber universell einsetzbar – Nahlinsen passen nur auf Objektive mit dem gleichen Filterdurchmesser)

  8. Avatar von Helmut Köhler
    Helmut Köhler

    Hallo und vielen Dank für Deine Erklärung. Zur verständnisfrage würde ich sagen: nein.

    1. Avatar von haraldschirmer

      Servus Helmut, vielen Dank für Deine Antwort – ich würde sie gerne noch „offen“ lassen – vielleicht gibt es ja noch andere Meinungen – auch wenn die Kommentarfunktion in Blogs nicht so häufig genutzt wird wie in FaceBook Google+ und Co.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert